Zwei Monate am anderen Ende der Welt – Bericht über meinen Neuseelandaufenthalt

Schüleraustausch - Reportage vom 29.05.2013

Nachdem Hugh, mein neuseeländischer Austauschschüler, zwei Monate über Weihnachten in Deutschland verbracht und mit mir zusammen die Schule besucht hatte, war es am 7. März 2013 für mich soweit: Mein Abenteuer in Down Under stand bevor. Ich hatte mich schon so lange auf diesen Tag gefreut und nun sollte es endlich losgehen. Der Austausch, an dem ich teilgenommen habe, wird von der Bezirksregierung Düsseldorf organisiert und deshalb war ich auch nicht der einzige Schüler aus NRW, der nach Neuseeland flog, sondern wir waren eine ziemlich große Gruppe, die auf ganz Neuseeland verteilt wurde. Nach einer Busfahrt zum Frankfurter Flughafen ging es für uns erst einmal nach Singapur, von wo aus wir nach Christchurch auf der Südinsel Neuseelands weiterflogen. Da ich jedoch in Dunedin, noch weiter im Süden der Südinsel, wohnen würde, trat ich zusammen mit elf anderen Jungen und Mädchen der Gruppe, die sich auch dort aufhalten würden, einen Regionalflug an. Nach ca. dreißig Stunden Reisezeit traf ich dann endlich meine Gastfamilie und sah Hugh am Flughafen von Dunedin wieder. Hugh kannte ich ja schon länger, auch mit seiner Familie verstand ich mich auf Anhieb sehr gut. Ich wurde von Anfang an als vollwertiges Familienmitglied behandelt und fühlte mich deshalb sehr wohl. Nur wenige Stunden nach meiner Ankunft kamen Hughs beste Freunde mit ihren deutschen Austauschschülern Mika und Paul vorbei. Ich kannte sie alle schon aus Deutschland, da wir sechs öfter einmal etwas zusammen unternommen hatten, während die Neuseeländer in Deutschland waren. Wir gingen erst einmal alle zusammen an den Strand, der nur 100 Meter von meinem Haus entfernt war, und danach fuhren wir noch mit dem Auto (in Neuseeland darf man schon mit 16 Jahren Auto fahren und der Führerschein kostet nur etwa 50 Euro) in die Innenstadt. So hatte ich schon am ersten Tag eine gute Übersicht von Dunedin, die immerhin die zweitgrößte Stadt der Südinsel ist.

Nach einem erholsamen Wochenende - der Jetlag war glücklicherweise nicht allzu groß - hatte ich am Montag meinen ersten Schultag. Nachdem die deutschen Schüler vom Schulleiter herzlich willkommen geheißen wurden, durfte ich mir meinen eigenen Stundenplan zusammenstellen, wobei ich zuerst die Fächer Graphics (Architektur und Design), English, Agriculture (Landwirtschaft), Physics, Art und Geographie gewählt habe. Nach ein paar Tagen habe ich dann jedoch noch zwei Fächer umgewählt und Technology (Werken) und Science (NW) belegt. Der Unterricht in Neuseeland ist im Vergleich zu Deutschland wesentlich lockerer und in vielen Fächern lernt man zusammen in Gruppen und Projekten. So muss im Englischunterricht zum Beispiel jeder Schüler eine Rede halten oder einen Videofilm über ein Thema drehen, das ihn interessiert. Als Deutsche haben Mika, Paul und ich ein Video über die Zubereitung einer Currywurst gemacht und später sogar welche mit in die Schule zum Probieren gebracht. Die Neuseeländer waren begeistert!

Nach der Schule sind wir drei meist in die Stadt gegangen, wo wir uns manchmal mit den anderen deutschen Schülern getroffen und auch andere Austauschschüler aus aller Welt kennen gelernt haben, die ein ganzes Jahr in Dunedin verbrachten.

An den Wochenenden habe ich immer Ausflüge mit meiner Gastfamilie unternommen und mich mit Hugh und seinen Freunden getroffen. Wir sind auch öfters ins Rugbystadion gegangen, wo die Highlanders, das Team aus Dunedin, gegen Mannschaften aus Australien, Südafrika oder Neuseeland gespielt haben. Mit Paul und Mika bin ich zudem oft surfen gegangen, da der Strand vor meiner Haustür geradezu perfekt dafür war.

Nachdem die Hälfte meiner Zeit in Neuseeland vorbei war, sind die deutschen Schüler nach Castle Hill zu einem einwöchigem Outdoorcamp geflogen. Dort sind wir unter anderem geklettert, durch eine mit Wasser gefüllte Höhle gewandert und haben viele weitere Outdooraktivitäten erlebt. Als Highlight wurden wir dann noch mit Vorräten fernab von aller Zivilisation in Sechsergruppen mit jeweils einem Betreuer in der Wildnis ausgesetzt, wo wir durch wunderschöne Landschaften mit Flüssen und Bergen gelaufen sind, in denen Szenen aus Die Chroniken von Narnia und der Herr der Ringe gedreht wurden. Abends haben wir uns mit den anderen Gruppen getroffen und unter einem riesigen Felsvorsprung unser Lager für die Nacht aufgeschlagen, um sie im Freien zu verbringen. Das Outdoorcamp hat uns allen sehr viel Spaß gemacht und war eine einzigartige Erfahrung.

In den Osterferien bin ich herumgereist und war unter anderem mit meiner Gastfamilie in Wanaka und Queenstwon, dem Extremsportparadies Neuseelands.

Meine Zeit dort verging unglaublich schnell und so kam es, dass auch schon bald meine letzte Woche bevorstand. In dieser unternahmen wir zum Glück so viel, dass ich gar nicht traurig werden konnte, dass alles bald schon wieder vorbei sein würde. Hugh und ich fuhren zu einer 18. Geburtstagsparty nach Christchurch, die in einem riesigen Ferienhaus eines Freundes gefeiert wurde, danach nach Oamaru, wo wir die durch ein Erdbeben zerstörte Stadt besichtigten, eine Pinguinkolonie besuchten und das einzige Konzert von Aerosmith in ganz Neuseeland erlebten.

Zuletzt gab es noch eine Abschiedsfeier für alle Deutschen in Dunedin, die ein voller Erfolg war. Nachdem ich mich an meinem letzten Morgen von meiner Gastfamilie und allen meinen neuseeländischen Freunden verabschiedet hatte, ging es wieder über Christchurch und Singapur zurück nach Deutschland. Der Abschied fiel mir wesentlich schwerer als der in Deutschland und ich habe gemerkt, wie sehr mir Neuseeland zu einer zweiten Heimat geworden ist. Deshalb habe mir vorgenommen, so bald wie möglich dorthin zurückzukehren und alle Leute wiederzusehen.

Ich kann jedem, der die Möglichkeit dazu hat, wirklich nur raten diese auch zu ergreifen und eine solche Erfahrung zu machen. Man wird nicht nur selbstbewusster, toleranter und offener für Neues (ich habe dort doch tatsächlich einen lebenden Wurm gegessen, weil er ein typisches Essen der Ureinwohner Neuseelands, der Maori, ist). Man macht Erfahrungen fürs Leben und lernt viele neue Freunde kennen. Ach so - und ganz nebenbei verbessert sich natürlich auch noch das Englisch.

Wenn ich noch einmal die Möglichkeit hätte, so ich würde nicht eine Sekunde zögern, sie erneut zu ergreifen.

 

Matthias Heinrich Morales (Mai 2013)

John McGlashan College, Dunedin, Neuseeland


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